Auszug aus der Laudatio des Kulturjournalisten Matthias Reichelt.

Stellen wir uns zwei Menschen vor, die auf einer hochragenden Klippe am Meeresufer stehen. Der eine sei damit beschäftigt, die Vegetation am Rand der Klippe biologisch und chemisch zu untersuchen. Dem anderen geht immer mehr das tiefste Geheimnis von Land und Meer auf, er spürt die Drehung der Erdkugel, wie sie auf ihrem Weg durchs All der Sonne folgt. Muss man nicht zugeben, dass dieser die reichere und tiefere Kultur hat.

John Cowper Powys, Romancier und Philosoph

… Am Anfang standen Aquarelle, in denen sie Motive aus der Natur, aber auch der Stadt verarbeitete. Zum Beispiel aquarellierte sie während eines Aufenthalts in New York Citysie sich im Zentrum Manhattans einer anderen Art der plein air-Malerei inmitten des tosenden Verkehrs am Time Square widmete. Die Quirligkeit, das Durcheinander von fallenden und horizontalen Linien, das Gewimmel und die aufblitzenden und grellen Leuchtreklamen, sowie die energetische und laute Vitalität der Stadt „that never sleeps“, wie es Frankieboy so unvergesslich gesungen hat, wurden in bunten Farben auf das Papier gebracht. Doch eigentlich war es die Vielfalt der Natur und deren Lebendigkeit, die Münnich motivisch begeisterte. Aufgewachsen ist sie in einer Brandenburger Försterei inmitten einer Naturidylle mit Zucht- und Wildtieren. Wahrscheinlich sind diese Eindrücke prägend gewesen für Münnichs Kunst, in der die natürliche Pflanzenwelt zur Initiation für den malerischen Umgang mit Struktur, Farben und Licht wurde. Von den anfangs noch eher naturalistisch anmutenden Motiven hat sich die Malerei im Prozess allmählich gelöst und ist in abstrakteren Gefilden gelandet, ohne die Herkunft völlig verschwinden zu lassen oder zu verleugnen. Schwarze Linien in einem wilden Durcheinander überziehen die Leinwand und begrenzen farbige Flächen. Bunte Blätter in herbstlichen Farben, oder könnten es auch exotische Schmetterlinge sein, die sich hier in einem Dickicht tummeln, das nur spärlich von durchscheinendem Hell einer entfernten Lichtung durchdrungen wird. Auf keinen dieser Bilder sind Menschen auszumachen und auch keinerlei wirklich erkennbare Wesen der Fauna.

Aus der Kombination von Druck und Malerei entsteht so allmählich eine mythische Landschaft

In ihren Acrylgemälden hat sie neben der traditionellen Malerei mit Pinsel eine eigentümliche Drucktechnik verwandt. Dafür wird Farbe auf einen Bildträger aufgetragen, meist verwendet Münnich dafür eine Kunststofffolie, die sie an der von ihr vorgesehenen Position auf die Leinwand drückt, um sie anschließend wieder abzuziehen. Mit diesem Verfahren trägt die Künstlerin viele Schichten auf, arbeitet mit Pinsel nach, so lange, bis für sie peu à peu ein zufriedenstellender Zustand mit der richtigen Balance zwischen völliger Abstraktion und Naturanmutung erreicht ist.

Aus der Kombination von Druck und Malerei entsteht so allmählich eine mythische Landschaft, die als Abstraktion aller Naturerfahrungen eine idealisierte Konzentration ist, die der Mensch nur noch selten in dieser Reinheit antrifft. Es sind Bilder, die als abstrakte Kunst gesehen werden können, aber allmählich doch den Verdacht nähren, dass wir es mit urwaldartigen Landschaften zu tun haben, die dazu einladen, unsere Fantasie spielen zu lassen. Wer sich animiert fühlt, wird sich virtuell durch das Gestrüpp und Unterholz arbeiten und dabei eigene Erkenntnisse sammeln.

Der britische Romancier und Philosoph John Cowper Powys schrieb 1929 in seinem Meaning of Culture: „Stellen wir uns zwei Menschen vor, die auf einer hochragenden Klippe am Meeresufer stehen. Der eine sei damit beschäftigt, die Vegetation am Rand der Klippe biologisch und chemisch zu untersuchen. Dem anderen geht immer mehr das tiefste Geheimnis von Land und Meer auf, er spürt die Drehung der Erdkugel, wie sie auf ihrem Weg durchs All der Sonne folgt. Muss man nicht zugeben, dass dieser die reichere und tiefere Kultur hat.“

Münnich scheint eher dem Geheimnis der Natur auf der Spur zu sein und es ist vielleicht dieser ganzheitliche Aspekt von Natur, dem Münnich in ihren Naturbildern vorschwebt und den sie auch bedroht sieht. Dies bringt mich zu einer anderen Serie von Bildern, die hier zu sehen ist. In den von ihr als Papierschnitte bezeichneten Arbeiten legt sie Landkarten zugrunde, aus denen sie säuberlichst alle belassenen Naturflächen herausschneidet. Somit entsteht eine Kartografie des menschlichen Eingriffs bzw. der „Landnahme“, wie der Serientitel lautet klare Kritik an der menschlichen Anmaßung, sich die Natur gänzlich einzuverleiben und mit der Versiegelung der Böden mittels Betonierung auf lange Sicht auszulöschen …