* 2020 Land(in)Sicht Wattindianer S.01 32×32 cm

* 2020 Land(in)Sicht S.07 32×32 cm

50-teilige Serie

Zu dieser literarischen Arbeit hat die Künstlerin anschließend eine 50-teilige Serie aus einzigartigen und unverwechselbaren Siebdruckarbeiten und Papierschnitten geschaffen.

Moin Wattenmeer

Nichts bleibt, wie es ist und alles ist in Bewegung.

Anett Münnich hat sich sehr intensiv mit dem UNESCO-Weltkulturerbe Wattenmeer auseinander gesetzt. Mit dem besonderen Blick für Strukturen, Formen und Farben hat sie das Watt genau studiert und das Wahrgenommene künstlerisch aufgegriffen. In einer Kurzgeschichte verkörpert die imaginäre Figur des Watt-Indianers das von der Künstlerin beobachtete Werden und Vergehen in der Natur.

* 2020 Land(in)Sicht S. 31 32×32 cm

* 2020 Land(in)Sicht
SP WattIndianer I 32×32 cm

Land in Sicht


über die Muschelberge am Strand.
Der Wind frischt auf.
Und als wolle das Meer
dieser frischen Brise entkommen,
schleicht es sich langsam davon.

Der Strand wird breiter.
Die Muschelberge verlieren ihre Farben
und trocknen zu grauweißem Kalk.
Stetig zunehmend gibt das Meer
seinen Boden der Sonne preis.
Beim Zurückziehen verliert es
hier und da ein paar Dinge.

Zwischen all dem Strandgut ziehen plötzlich
aufgefächerte Federn
meine Aufmerksamkeit auf sich.

Sie bleiben zwischen den Bodenriffelungen,
die die Bewegung des Wassers erschaffen hat,
einfach liegen:
Steine, Muscheln, Federn, auch Grünzeug,
was zum Salat verarbeitet werden kann:
sehr grün, sehr gesund,
wie ich von Einheimischen höre.
Gemacht wird es eher selten,
vielleicht auch nur,
weil es keiner so recht mag.


kommt mir in den Sinn.
Knöcherne Reste werden umgarnt
von Seegras und Formen,
was meine Sinne
schon längst erfasst haben.
Ein Schlafender,
ein Ruhender,
ein Nachdenkender,
entspannt sinnierend?
Oder ein Gestrandeter?
Gestrandet am Rand
der Unendlichkeit.

Ich habe ihn gefunden,
den namenlosen Watt-Indianer
mit seinem schneeweißen Festschmuck.
Trug er ihn zum Kampf,
war er in kriegerischer Absicht unterwegs?
Oder war er auf der Jagd nach Meeresfleisch,
um die Seinen durchzubringen.

Oder trug er gar diesen Schmuck
für die Vermählung mit seiner Liebsten?
Was mag geschehen sein?
Warum hatte ihn das Meer geholt.
Und warum hat das Meer
ihn hier abgelegt
wie einen Schatz.


Eine Geschichte zwischen
Phantasie und Realität
zwischen Leben und Tod.

Das ganze Dasein scheint
vereint in diesem einen
Konvolut aus Tatsächlichkeiten
und Phantasie
und lassen meine Gedanken kreisen.
Und so geht die Zeit
und mit ihr das Wasser,
bis der Mond dessen Umkehr anordnet.

Und im Kommen
wird sich das Wasser wieder holen,
was es beim Gehen verloren hat:
all die Muscheln und Steine,
das Seegras und den Watt-Indianer.

Und niemand wird ihn vermissen,
den Schlafenden oder Gestrandeten.
Nur die mit dem aufmerksamen Blick
werden sich eventuell an ihn erinnern,
oder an seinen weißen Federschmuck,
oder vielleicht auch nur
an ein Häufchen Strandgut.